64 Jahre und (k)ein bisschen leise
Wolfgang Dittrich (Zweiter von rechts) mit seinen Stützpunkt-Trainern Matthias Kapelle (links), Markus Pflanz (Dritter von links) und Michael Jäger (rechts) wurde vom Stützpunktkoordinator Nordhessen, Claus Schäfer, geehrt. Foto: privat
Dittrich ist der Inbegriff für einen Pensionär, der keine Zeit besitzt: Im riesigen Garten züchtet er Rosen und Positurkanarien, er genießt das Familienleben mit seiner Frau und den zwei erwachsenen Kindern und er liebt den Fußball, der die meiste Zeit beansprucht. Einzelrichter des Hessischen Fußballverbandes ist er, dazu seit dieser Saison Trainer des D-Junioren-Gruppenliga-Tabellenführers JFV Burghaun und nun auch schon eine ganze Dekade DFB-Stützpunkttrainer am Standort Hünfeld. Talente hat er dabei noch und nöcher geformt.
Um über sein Wirken als Trainer zu sprechen, muss ein Termin dementsprechend von langer Hand geplant sein, ist dieser aber gefunden, gerät der 64-Jährige ins Schwärmen. Bei einem Kaffee mit viel Milch und ohne Zucker benutzt er drei Substantive fortwährend: „Spaß, Freude, Lob“. Er selbst hat unheimlich Spaß und Freude - egal ob beim Stützpunkt oder im Verein - bei seiner Tätigkeit und weiß, dass er die Spieler im D- und C-Juniorenbereich mehr loben denn kritisieren muss.
Früher war Dittrich als „harter Hund“ bekannt, nicht zuletzt um Disziplin zu vermitteln, engagierten ihn viele Vereine als Trainer. Sein Credo lautete allerdings auch da schon: „Eine akribische Trainingsvorbereitung mit Sechs- bis Acht-Wochenplänen, um an bestimmten Inhalten zu arbeiten, ist das A und O.“ Auf das Training freute sich der Burghauner mehr als auf die Spiele.
Passspiel als großes Steckenpferd
Heute ist vor allem das Passspiel sein Steckenpferd, das in den montäglichen Einheiten am Stützpunkt Hünfeld perfektioniert werden soll. Auch Dribbling, Spieleröffnung sowie taktische Maßnahmen gehören zu den Attributen, die von seinen Trainerkollegen Michael Jäger, Matthias Kapelle und Markus Pflanz und ihm an die talentiertesten Spieler im Raum Hünfeld herangetragen werden sollen - zusätzlich zum Training im Verein.
Zum Stützpunkt fand Dittrich einst über Udo van den Berg und ist bis heute begeistert: „Ich vermisse das Tun als Seniorentrainer überhaupt nicht“, sagt er und schmunzelt: „Jetzt, wo die Tage wieder kürzer sind und das Wetter schlechter wird, genießt du den Abend auch mal vorm Kamin.“ Gerade die Zusammenarbeit mit den deutlich jüngeren Kollegen schätzt er dabei - und gibt zu: „Da kann ich auch noch einiges lernen, gerade auch von ,Fußball-Professor‘ Markus Pflanz.“
Mittlerweile ist die Arbeit so verwissenschaftlich, dass alle Spieler des Stützpunkts zweimal jährlich in den Bereichen Schnelligkeit, Antritt, Gewandtheit, Dribbling, Ballkontrolle und Balljonglieren überprüft und die Daten letztlich von der Uni Tübingen ausgewertet werden. Die Weiterentwicklung in allen Bereichen steht im Fokus, die Vorbereitung auf Einsätze in der Regionalauswahl oder Hessenauswahl fast über allem.
Meisterschaft das große Ziel
Doch stagniert die Entwicklung über die Maßen, geht auch mal eine Tür zu und Dittrich und Co. sichten neue Spieler. Mindestens 40 solcher Sichtungen werden von jedem Stützpunkttrainer jährlich verlangt. Viel Zeitaufwand für wenig monetären Ertrag: „Ich würde es aber auch ohne Geld machen, der Spaß ist viel zu groß“, sagt der ehemalige Bundespolizist, der dort lange als Ausbilder aktiv war und einiges aus dieser Zeit für seinen Trainerjob mitgenommen hat: „Nicht das militärische, mehr das Leiten und Führen von Menschen.“
Mit einigen seiner Talente mischt er im JFV Burhgaun, der aus den Stammvereinen Steinbach, Burghaun - dort erlebte er kurioserweise seine einzigen beiden Trainerentlassungen -, Kiebitzgrund und Rothenkirchen entstandenen ist, aktuell die Gruppenliga auf: sechs Spiele, sechs Siege. „Ich will Meister werden“, sagt er unumwunden und gibt zu: „Pokalsieger wollte ich auch werden.“ Da scheiterte sein Team überraschend an der JSG Schlitzerland, die Wochen zuvor noch 9:0 besiegt wurde. „Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen“, sagt er dann und gibt deutlich zu verstehen: Der Fußball ist für das Trainer-Urgestein Wolfgang Dittrich zwar nicht alles, aber doch noch viel zu viel, um ans Aufhören zu denken.