Daniel Hanslik im Porträt

Dankbar, glücklich, gläubig

30. April 2021, 07:20 Uhr

Daniel Hanslik beim Torjubel: Die Finger nach oben, die Augen geschlossen. Er will damit Dankbarkeit ausdrücken. Foto: Imago/Jan Huebner

Fußball ist in manchen Teilen der Republik Religion. In Kaiserslautern tragen die Gläubigen Rot, verehren statt Gott den Teufel und haben mit Daniel Hanslik einen Osthessen zu einem ihrer Hoffnungsträger im Existenzkampf auserkoren.

Mit dem unsteten Leben eines Musikers hat der Alltag eines Ballkünstlers auf professionellem Niveau eine Menge gemeinsam. Und so drückt das von Hannes Wader besungene Lebensgefühl „Heute hier, morgen dort“ nicht selten das aus, was der Unterhauner Daniel Hanslik als „Tagesgeschäft“ bezeichnet. Profifußball ist ein Tagesgeschäft.

So wie im vergangenen Herbst: Hanslik zeigte in der Vorbereitung bei Zweitligist Kiel, dass mit ihm zu rechnen ist. Der Stürmer hinterließ als Außenverteidiger gegen Ajax Amsterdam, Twente Enschede und FC St. Pauli Eindruck. Er traf, bereitete vor. Doch wie bereits ein Jahr zuvor langte es nicht, um Trainer Ole Werner nachhaltig zu überzeugen.

Erst sagte Kiel: Du bleibst! Dann änderte sich die Meinung. Am letztmöglichen Transfertag. Nachts um 2 Uhr erhielt Hanslik einen Anruf, Drittligist Kaiserslautern buhle um ihn. Am nächsten Morgen, seinem 24. Geburtstag, packte er einen Koffer voll mit Klamotten, setzte sich ins Auto und spielte fortan für Kaiserslautern statt Kiel.

Mit Freundin Kira, die hatte Hanslik in seiner Wolfsburger Zeit kennen und lieben gelernt, war er da gerade erst zusammengezogen. Beide hatten zuvor eine Fernbeziehung geführt, die ebenfalls die halbjährige Leihe von Kiel nach Rostock aushielt. Jetzt endlich zusammen und doch gleich wieder getrennt? Zum Glück, sagt Hanslik, ist Kira den Weg in die Pfalz mitgegangen. Vorher sei das bereits eine Belastungsprobe gewesen, die er nicht schon wieder gebraucht hätte. Die Wohnung in Kiel hat er wegen seines Wechsels auf Zeit nicht gekündigt. Die sei vor den Stadttoren und küstennah gut gelegen, vor allem seien dort Hunde gestattet.

Existenzängste in der Pfalz

In Kaiserslautern sollte es ebenfalls etwas Ländliches werden. Diesmal Wald statt Küste. Nach ein paar Wochen im Hotel bezogen Daniel, Kira und Hund Lilo eine bei Airbnb inserierte möblierte Wohnung in einem kleinen Dorf. Dort kennt man ihn natürlich. Alles FCK-Fans. Hanslik mag den Smalltalk, wenn er mit Lilo seine Runden dreht. Da schaltet er ab vom Alltagsstress.

Alltagsstress heißt Abstiegskampf. Die ganze Pfalz bangt um ihren FCK. Nicht wenige sagen, dass ein Abstieg in die Regionalliga dem Club die Existenz kostet. Der finanzielle Kollaps ist nur vier Spiele entfernt. Hanslik spürt das. Dort, wo die halbe 54er-Weltmeistermannschaft spielte, wo „König“ Otto Rehhagel 1998 noch den Meistertitel auf dem Betzenberg feierte. Einer der traditionsbehafteten Clubs der Republik in Liga vier? Hanslik spürt diese Wucht an Existenzängsten. „Gerade den Mitarbeitern geht das sehr nahe“, sagt er und beschreibt, „dass damit der Druck auf das Team wächst. Wir sind diejenigen, die in der Verantwortung stehen. Spurlos geht das nicht an mir vorüber.“ Hanslik arbeitet nicht nur deshalb mit einem Mentaltrainer.

Umso erstaunlicher, dass sich das Team in der so kritischen Phase gesteigert hat. Und Hanslik trifft. Vier Tore in drei Spielen, die wichtige Punkte brachten. Und dann krachte es im Oberschenkel. Beim bis dato letzten Spiel gegen Haching musste er von der Tribüne aus zuschauen. Bestens gelaunt war er nachher dennoch. Das Team hat ja gewonnen. Nichts anderes zähle jetzt. Schon gar keine Einzelschicksale. Hanslik war schon immer Teamplayer.

Noch keine Gespräche mit Kiel

Gerade in Zeiten des Misserfolgs zahle sich das aus. Denn nichts ist im Fußball unsteter als Erfolg. Als Stürmer sowieso. In Wolfsburg trainierte er mit den Bundesliga-Profis, rechnete wöchentlich mit einem Kaderplatz und ging jedes Mal leer aus. In Kiel war der Trainer, zu dem er großes Vertrauen hegte, nach wenigen Wochen weg. „Es kommt, wie es kommen soll“, sagt Hanslik, der betont: „Ich bin mit meinem Weg glücklich – und vorbei ist der noch lange nicht.“
Eigentlich wollte er Polizist werden, hatte bereits drei Semester studiert. Dass er im Profifußball landete, bezeichnet er noch immer als „Glücksfall“, zu dem ihm eine Fabelsaison beim SV Steinbach und mit Kujtim Mustafi, Vater des Schalkers Shkodran, ein gut vernetzter Berater verhalfen.

Hanslik ist dafür dankbar. Nicht nur Mustafi. Denn der Halb-Pole ist ein gläubiger Mensch, wurde katholisch erzogen und lebt seinen Glauben. Wenngleich nicht mehr jeden Sonntag in der Kirche. „Ich setze mich anders damit auseinander. Letztlich muss jeder hierfür seinen eigenen Weg finden. Für mich weiß ich aber, dass mir der Glaube unheimlich Halt gibt.“ Ein Kreuz trägt er um den Hals, sein Torjubel mit geschlossenen Augen und Blick gen Himmel soll seine Dankbarkeit deutlich machen.

Und seine Tore sollen den Verein mit der Strahlkraft und dem Umfeld eines Bundesligisten in der Dritten Liga halten. Vier Spiele noch, um über dem Strich zu bleiben. Da will Hanslik wieder dabei sein. Helfen. Seinen Lauf fortführen. Am liebsten bis in die neue Saison hinein, wie er sagt. Dann ist er wieder Kieler. Zumindest Stand jetzt. „Es gab noch kein Gespräch. Ich halte mir alle Türen offen. In unserem Geschäft weiß man nie, wie es kommt.“ Heute hier, morgen dort.

Sportlicher Weg

Ausgebildet wurde Daniel Hanslik bei Heimatverein SV Unterhaun, ein Jahr beim SV Steinbach und beim JFV Bad Hersfeld. Nach einer Saison beim SVA Bad Hersfeld explodierte Hanslik in Steinbach: 22 Tore und 12 Vorlagen bei einem Hessenliga-Abstiegskandidaten. Er entschied sich für Wolfsburgs U?23: Im zweiten Jahr wurde er Torschützenkönig und Regionalliga-Meister. Die halbe Zweite Liga fragte an, er unterschrieb für drei Jahre in Kiel, der Vertrag läuft bis Juni 2022. Bis Saisonende ist er an Drittligist Kaiserslautern verliehen.

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