Die Eintracht läuft im Schneckentempo

01. April 2024, 14:05 Uhr

Das nennt man wohl in die Mangel genommen: Mario Götze hat’s überstanden. © IMAGO/Revierfoto

Eintracht Frankfurt tritt nach der Nullnummer gegen Union Berlin auf der Stelle und muss eine generelle Unzufriedenheit moderieren.

Die Steilvorlage aus Frankfurt haben die Fußballer aus Augsburg nicht aufgenommen. Mehr noch: Achtlos verschenkt haben sie diese auf dem Silbertablett servierte Gelegenheit. Obwohl sie ganz schön viel investierten und gerade in den letzten Minuten der Bundesligapartie gegen das Kellerkind 1.FC Köln einen wütenden Angriff nach dem anderen zündeten. Doch letztlich blieb ein tristes Remis, 1:1. Zu wenig, um der Eintracht auf die Pelle zu rücken im Kampf um Rang sechs. Die hatte bereits tags zuvor zwei Punkte liegengelassen, Nullnummer gegen Union Berlin. Und dennoch fünf Punkte Vorsprung auf den FCA sowie den SC Freiburg gewahrt. Das Rennen um den internationalen Startplatz geht weiter. Im Schneckentempo.

Der Frankfurter Sportvorstand Markus Krösche entgegnete bereits vor dem sanften Augsburger Ausrutscher auf die Frage, ob er sich Sorgen um Platz sechs mache, maximal schmallippig: „Nein.“ Ehe er, im besten Fußballersprech anfügte: „Wir schauen nur auf uns.“ Spötter meinten postwendend, er müsse sich eh keine Sorgen machen, am Ende werde es sowieso nur Rang acht.

Das fasst die Stimmungslage in Frankfurt ganz gut zusammen, nicht innerhalb des Teams und nah um das Team herum, aber doch die im berühmten Umfeld. Denn da wird deutlich: Die Eintracht bewegt sich in dieser schwer zu greifenden Spielzeit in einem merkwürdigen Spannungsfeld.

Die Draufsicht korrespondiert mit der Binnenanschauung so gar nicht. Eine latente Unzufriedenheit ist steter Wegbereiter im Stadtwald, und wie weit die Pole auseinanderliegen, zeigen zwei kurze Begebenheiten nach dem eher enttäuschenden Auftritt gegen Union. Erst wurde Krösche gefragt, wie lang denn ob der insgesamt eher trüben Darbietungen sein Geduldsfaden so sei. „Ich bin einer der geduldigsten Menschen überhaupt“, antwortete er. Nur wenige Minuten später befand Trainer Dino Toppmöller, dass er diese Nullnummer gar nicht als Rückschlag im Kampf um Europa wertet. „Ich sehe das eher positiv, wir haben einen Schritt nach vorne gemacht.“ Eine Einschätzung, die doch verblüfft.

Denn nach 27 Spieltagen sind Schritte nach vorne wirklich nur von denen zu sehen, die sie wirklich sehen wollen und qua ihrer Parteilichkeit (in diesem Fall nicht nur Vereinszugehörigkeit, sondern auch sportlicher Verantwortung) wohl auch sehen müssen. Die Spiele ähneln sich in ihrer Gesamtheit doch zu sehr, und auch die nackten Zahlen untermauern die fehlende Entwicklung in dieser schwerfälligen Spielzeit: Die Eintracht ist Remiskönigin (elfmal, wie Bochum und Mainz), in der Rückrundentabelle liegen die Frankfurter dort, wo sie gefühlt auch hingehören: auf Rang acht, 14 Punkte, 15:15 Tore. Zum vergleichbaren Zeitraum waren sie in der Hinserie besser, nicht viel, aber doch ein bisschen: 17 Zähler, 15:9 Tore.

Das alles ist kein Zufall, es ist eher Ausdruck des aktuellen Leistungsvermögens des Teams, das in diesem Jahr nicht besonders viele wirklich überzeugende Auftritte hingelegt hat, dafür auf sonderbare Weise stagniert.

Dabei, und das sollte nicht verschwiegen werden, weil es eben zur Wahrheit dazu gehört, sind die Spiele an sich oft genug Spiegelbilder des großen Ganzen. Auch gegen Union Berlin zeigte die Eintracht wieder ihre zwei Gesichter, die viele Beobachter und auch Funktionäre ratlos zurücklassen. Denn die erste Halbzeit reihte sich nahtlos in die vielen gleichförmigen und langatmigen Darbietungen in dieser Saison ein. Keine einzige echte Torchance arbeiteten sich die Frankfurter heraus, der erste Torschuss datierte aus der 32. Minute, ein harmloser Freistoß über die Querlatte, bei dessen Ausführung Omar Marmoush auch noch weggerutscht war. Symptomatisch.

Es sind genau diese uninspirierten Vorstellungen, die viele Menschen bitter enttäuschen, da ist wenig Leidenschaftliches, wenig Begeisterndes, wenig, was den Funken überspringen lässt und den Standort Frankfurt zu einem der spannendsten in ganz Deutschland hat werden lassen. Dieser besondere Kick ist aber kein Allgemeingut, das einfach vom Himmel fällt, sondern eines, das der Bedingungslosigkeit der Protagonisten auf dem Feld bedarf. Die Spieler selbst rätseln auch, weshalb sie nicht auf den Platz bekommen, was sie sich vornehmen. „Wir wussten um die Wichtigkeit des Spiels“, sagt Linksverteidiger Philipp Max über den ersten Durchgang und wundert sich: „Von daher war das von dem Energielevel und der Bereitschaft her deutlich zu wenig.“

Besser wurde es erst nach einer Stunde, und da zeigte die Mannschaft, das sie durchaus in der Lage ist, einen tiefstehenden Kontrahenten in Bedrängnis zu bringen. Weil sie eben die taktischen Fesseln ablegte, die 65 Prozent Ballbesitz nicht nur in ungefährlichen Räumen hatte, sondern zielstrebiger und viel dynamischer in Richtung des Berliner Tores stürmte. Fast 30 Flanken schlugen die Frankfurter hinein, kamen zu der einen oder anderen Chance, doch immer warf sich ein eiserner Unioner noch hinein oder die Hereingaben waren zu unpräzise, zu wenige Eintracht-Spieler in der hochroten Zone oder aber der starke Union-Keeper Frederik Rönnow parierte. „Wir haben den Gegner reingedrückt“, befand Toppmöller: „Am Ende hat der letzte Punch gefehlt, den Ball mit egal welchem Körperteil über die Linie zu drücken.“

Und doch ist die große Frage, die der Trainer beantworten muss: Weshalb ist eine solche Leistung nur phasenweise und nicht über die meiste Zeit abrufbar? „Wir waren immer am besten, wenn wir Bereitschaft, Willen und Herz gezeigt haben“, gibt Max zu bedenken. „Das Fußballerische hat sich dadurch entwickelt.“ Der Verteidiger versteht nicht so ganz, weshalb das Team die sehr guten Trainingsleistungen nicht mit Anpfiff aufs Spielfeld projizieren kann. „Das“, findet er, „ist schwer zu erklären.“

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