Erlebnisbericht aus Alzenau

Testspielatmosphäre trotz Trommlern

21. Januar 2021, 06:28 Uhr

Dass hier in wenigen Minuten in Regionalliga-Spiel stattfinden würde, könnte man bei diesem Bild aus Alzenau nicht erahnen. Foto: Oliver Müller

Während der Amateurfußball weiter pausiert, treffen sich die Regionalligisten gerade alle paar Tage zum Spielgeschehen. Teils unter wenig professionellen Bedingungen. Ein Erlebnisbericht aus Alzenau.

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Und so haben sich die meisten Fußballfans längst damit abgefunden, dass ihre geliebte Sportart im TV momentan ohne Zuschauer vonstatten geht. Geisterspiele in großen Bundesliga-Stadien ist das eine. Doch noch einmal komplett anders ist eine fehlende Kulisse bei einem Regionalligaspiel. Gerade dann, wenn der Heimverein über keineswegs professionelle Bedingungen verfügt. Wie am Dienstagabend, als Bayern Alzenau den VfB Stuttgart II empfing, nach Wochen der Heimatlosigkeit endlich wieder an der Prischoßstraße.

Zugegeben: Selbst in normalen Zeiten hätte das Spiel bei kalten Temperaturen unter der Woche im Januar wohl nicht mehr als 250 Zuschauer gelockt. Am Dienstag war neben Spielern und Trainerstäben einzig Vereinsfunktionären inklusive Ordnern sowie Pressevertretern der Zugang aufs Sportgelände gestattet. Alle ausgerüstet mit einer FFP2-Maske. Da das Sportgelände etwas abgelegen von der Stadt liegt, eine kleine Straße mit Parkplatz aber unmittelbar an den Kunstrasen grenzt, konnten einige wenige Interessierte von außerhalb das Spiel verfolgen. Unter anderem zwei Trommler, die für ein wenig Stimmung sorgten.

Ansonsten fehlte alles, was den Sportplatzbesuch ausmacht. Kein Getränke- oder Würstchenverkauf. Kein Fachgesimpel unter den Zuschauern. Keine Musik beim Aufwärmen oder in der Halbzeit. Keine Durchsagen während der Partie. Typische Testspielatmosphäre in der Wintervorbereitung kam auf. Zumal die Stimmung auf dem Platz nicht gerade darauf schließen ließ, dass hier zwei Teams um wichtige Regionalliga-Punkte kämpften.

Alles ist besser als gar kein Fußball

Vielleicht war die Partie dafür zu einseitig. Schnell führte der Gast mit 3:0, am Ende gewann die Bundesliga-Reserve mit 4:1. Stuttgarts Co-Trainer Analyse Max Lesser, gebürtiger Maberzeller, wollte das Spiel wie immer von oben aus betrachten, um taktische Schlüsse schnellstmöglich festzustellen und per Headset an die Bank weiterzugeben. Er gesellte sich in eine Art Funkturm, neben der Plattform für den Videomann die einzige Erhöhung am ganzen Platz. Auch von unten hätte Lesser gesehen, dass Alzanau um den abgeklärten Ex-Barockstädter Dominik Crljenec in der Innenverteidigung trotz mutiger Ansätze in fast allen Belangen unterlegen war. Kein Wunder, wenn auf der Gegenseite mit Holger Badstuber ein Ex-Nationalspieler steht, der schon das Triple mit Bayern München gewonnen hat.

Es sind Welten zu dem, was die Bayern zu bieten haben. Nicht umsonst sagte Trainer Artur Lemm im Vorfeld, dass „es ein bisschen albern ist, uns als Profis zu deklarieren. Wir sind nicht anders aufgestellt als ein Hessenligaverein.“ Doch während die Hessenligisten monatelang zur Pause gezwungen sind, stehen Alzenau bis Juni 25 Spiele vor der Tür. In der nächsten Zeit weiterhin ohne Zuschauer. Spaß gemacht hat der Besuch dennoch. Denn selbst ein Fußballspiel mit Testspielatmosphäre ist immer noch besser als gar kein Fußballspiel.