Timothy Chandler und die mahnenden Worte

24. April 2024, 16:19 Uhr

Macht ordentlich Dampf: Timothy Chandler. © IMAGO/HMB-Media

Der Routinier von Eintracht Frankfurt mit deutlichem Appell: „Unsere Grundsätze dürfen wir nie verlieren.“

Man stelle sich vor, der alte Haudegen Timothy Chandler wäre Cheftrainer von Eintracht Frankfurt, und er würde mit seiner Mannschaft vor der nicht eben kleinen Hürde Bayern München stehen. Vielleicht würde sich Coach Chandler was Schönes einfallen lassen, eine gut ausbaldowerte Taktik mit abkippenden Sechsern und schwimmenden Neunern oder sonstwas, vielleicht wäre seine Herangehensweise aber auch so, wie sie jetzt ist, als Spieler. Und das hört sich so an: „Wir müssen denen auf den Sack gehen, sie nicht spielen lassen, sondern Vollgasfußball zeigen, sie nerven.“ Dann werde man am Samstag mit etwas Zählbarem abreisen können aus Fröttmaning. Ganz einfach.

Nur eines soll man besser nicht machen: Darauf spekulieren, dass die Bayern die Frankfurter auf die leichte Schultern nehmen, weil sie das erste Halbfinale in der Woche drauf gegen Real Madrid im Kopf haben. „Wenn wir so denken, könnten wir auf den Bobbes fallen“, sagt Chandler, Spitzname J. Lo.

Das Eintracht-Urgestein, 34, hat sich schon so einige Duelle geliefert mit den Riesen von der Isar, die meisten haben die Bayern gewonnen, was in der Natur der Sache liegt. Aber der Verteidiger, der kürzlich seinen Vertrag bis 2025 verlängert hat, ist sich sicher, dass sich das Team in der zweiten Halbzeit gegen den FC Augsburg genügend Selbstvertrauen geholt hat, um in München bestehen zu können. „Die Reaktion der Mannschaft war überragend.“ Er glaubt, dass der schwache erste Abschnitt eine Art Initialzündung war, weil die Mannschaft sich selbst nicht wiedererkannt hat. „Wir spielen am Freitagabend vor ausverkauftem Haus, da haben wir in den letzten Jahren immer die Hütte abgebrannt.“ Und dann eine solche dürftige Vorstellung. „Da haben wir uns gesagt, das geht nicht, wir müssen was anderes zeigen.“ Die Pfiffe des Publikums hätten „etwas in den Köpfen bewegt“. Die Mannschaft habe sich gesagt: „Nee, nee, den zeigen wir jetzt, dass wir auch anders können. Und dann haben wir eine andere Art an den Tag gelegt.“ Wenn’s doch so einfach ist.

Lernprozess für den Trainer

Der Routinier, stets gut gelaunt, aber mit einem gewichtigen Wort in der Kabine, mahnt daher an, dass die Eintracht ihren Stil und ihre Herangehensweise nicht verraten dürfe. „Wir leben von diesen Emotionen, dadurch haben wir uns in den letzten Jahren etwas aufgebaut, deshalb waren wir so erfolgreich. Das sind Grundsätze, die wir niemals verlieren dürfen – bei aller Entwicklung des Vereins.“ Und vielleicht muss auch Trainer Dino Toppmöller diesen Klub in seiner Gesamtheit erst noch durchdringen. „Das ist ein Lernprozess für ihn, es ist seine erste Cheftrainerposition, und hier prasselt ja viel auf ihn ein. Und es ist ja auch nicht so leicht, wenn man einen Plan hat, und man merkt vielleicht, dass er nicht so ganz funktioniert. Aber er hat ja auch gesehen, was wir in der zweiten Halbzeit gegen Augsburg gemacht haben – dann wird er das natürlich auch anpassen.“

Chandler kann die Kritik an der Spielweise durchaus nachvollziehen. „Ich kenne viele Fans aus der Kurve, und ich weiß, dass vielen die Leidenschaft gefehlt hat, der Zweikampf oder der Ball nach vorne. Das ist den Leuten im Stadion auf den Sack gegangen. Deren Meinung verstehe ich.“

Genauso wie die Sorge der Fans, dass der Eintracht die Identifikationsfiguren ausgehen. Im Sommer hören Kapitän Sebastian Rode und Stratege Makoto Hasebe auf. Also müssten andere Verantwortung übernehmen, nicht in der Kabine, sondern auf dem Platz. Er denkt da neben Kevin Trapp, Robin Koch und Mario Götze auch an Ellyes Skhiri und Youngster Hugo Larsson. „Sie müssen mehr kommunizieren“, sagt der Gute-Laune-Bär Chandler und fügt lachend an: „Ich bin ja irgendwann auch nicht mehr da.“