Zu viele Baustellen bei Eintracht Frankfurt

08. April 2024, 21:43 Uhr

Frankfurter Unsicherheitsfaktor: Eric Junior Dina Ebimbe. © IMAGO/Eibner

Eintracht Frankfurt kommt nicht vom Fleck in der Fußball-Bundesliga. Über die Gründe der Stagnation bei den Hessen. Eine Analyse.

Aus gegebenem Anlass, in diesem Fall der bekannte TV-Stammtisch bei Sport 1, hat Markus Krösche noch einmal vor einer breiten Öffentlichkeit skizziert, weshalb Eintracht Frankfurt im Sommer 2023 im vollen Bewusstsein eine Umbruchsaison eingeleitet hat. Viele Leistungsträger hätten sich damals dazu entschieden, den Verein zu verlassen, weshalb sich für den Bundesligisten quasi zwangsläufig die Möglichkeit ergab, „den Kader umzustrukturieren“. Klar war sowieso, dass die Mannschaft dringend verjüngt werden muss, und diesen Prozess hat Krösche konsequent in Gang und umgesetzt. Er hat ein Aufgebot erstellt, in dem viel Fantasie und Gestaltungsmöglichkeiten steckt, das aber eben auch unfertig ist. Es ist eine Gruppe erwachsen, die auf „Mittelfristigkeit und Entwicklung“ ausgelegt ist. Krösches Mantra: „Das braucht Zeit.“ Und: „Schwankungen sind normal.“ Dass es da mal rumpeln könne, sei eingepreist.

Krösches Verantwortung

Nun ist der Manager eigenem Bekunden nach zwar ein sehr geduldiger Mensch, doch es ist kein Geheimnis, dass er sich gewünscht hätte, der Fortschritt würde sich ein wenig hurtiger einstellen. Mit der aktuellen Interpretation des Fußballs ist der 43-Jährige nicht einverstanden, einen Spielstil, den der TV-Doppelpass sehr treffend als „spaßbefreit“ bezeichnet hat.

Krösche findet das wahrscheinlich nicht so spaßig, doch er ist bei aller Kritik am Auftreten des Teams und der Trainerleistung von Dino Toppmöller der festen Überzeugung, dass der grundsätzlich eingeschlagene Weg der richtige ist. Nur: So langsam solle eine Entwicklung auch sichtbar sein und zum Tragen kommen. Am besten jetzt noch auf den letzten Metern der Saison, dann könnte Platz sechs manifestiert werden – was angesichts eines schweren Restprogramms, aber sechs Punkten Vorsprung auf die Verfolger keine Selbstverständlichkeit ist.

Nur zwei Siege aus den sechs verbleibenden Spielen könnten schon reichen. Krösche glaubt an die Qualifikation, auch das schwere Restprogramm schreckt ihn nicht, da sich die Eintracht gegen spielstarke Topteams leichter tue und in diesen Begegnungen nicht als Favorit ins Rennen gehe: „Das sind spannende Wochen. Wir haben nichts zu verlieren, nur etwas zu gewinnen.“ Eine zumindest mal diskussionswürdige These. Denn: Platz sechs zu verlieren, wäre eine herbe Enttäuschung.

Die generelle Unzufriedenheit rund um den Verein hat Markus Krösche natürlich wahrgenommen. Und da geht es weniger um eine etwaige Entfremdung von der Basis (Stichwort Eintracht-Lachs oder Vip-Lounge „Zum Jürgen“) und es hat auch nichts mit einer gestiegenen Erwartungshaltung zu tun, die Sportchef Krösche nach erfolgreichen Jahren ausgemacht haben will. „Das ist so ein bisschen der Fluch der guten Tat“, glaubt der Manager. Doch das trifft nicht des Pudels Kern. Die Schwere, die Torwart Kevin Trapp mit einer „sehr, sehr negativen Wolke“ umschrieben hat, liegt nur an der Performance auf dem Platz. Die behäbige Spielweise stößt den meisten Fans nach Jahren des wuchtigen Powerfußballs bitter auf.

Auch dafür gibt es Gründe. Zum einen die generelle Veränderung des Spielstils hin zu mehr Kontrolle und weniger Wildheit, womit die junge und heterogene Mannschaft fremdelt. Sie hat ohnehin noch immer nicht so wirklich zueinander gefunden, wird immer wieder mal auseinandergerissen, entweder durch den Afrika-Cup zu Beginn des Jahres, Verletzungen, gerade im zentralen Mittelfeld und im Sturm, oder, ganz aktuell, Sperren wie jenen von Defensivkraft Tuta und Allrounder Eric Dina Ebimbe.

In der Zentrale musste Coach Toppmöller häufig wechseln, erst war Ellyes Skhiri unpässlich und angeschlagen, dann Hugo Larsson – und zuletzt beide. Das ist natürlich nicht optimal. Zumal die anfangs gefeierten Transferaktivitäten im Winter gehörig nach hinten losgegangen sind.

Das ist einerseits Pech, andererseits hausgemacht. Jean-Matteo Bahoya ist generell als Perspektivspieler für die neue Saison geholt worden, Sasa Kalajdzic hat sich gleich einen Kreuzbandriss zugezogen, und Donny van de Beek ist ein lupenreiner Flop. Da hat Krösche wahrlich danebengegriffen.

Und auch Stürmer Hugo Ekitiké, der mit 20 Millionen Euro der teuerste Transfer der Geschichte wird, konnte bisher die Erwartungen nicht erfüllen, zuletzt fiel er wieder verletzt aus. Krösche glaubt dennoch an das große Potenzial des jungen Franzosen. So oder so: Soforthilfen waren im Winter nicht dabei. Das war anders geplant.

Viel Ballast dabei

Und aktuell schleppen einige Spieler einen gewissen Ballast mit sich umher. Eric Dina Ebimbe ist unstet, Aurelio Buta schaffte es gar nicht mehr in den Kader, Fares Chaibi ist ein Schatten seiner selbst, Ellyes Skhiri kein Anker, und Ansgar Knauff scheitert regelmäßig an seiner überschaubaren Technik. Gleichwohl: In den Duellen gegen die Spitzenmannschaften mit mehr Raum kann der schnelle Mann ein entscheidender Faktor sein. „Der eine oder andere ist so ein bisschen im Tal und nicht auf seinem besten Level“, sagt Krösche. Das Problem: Viel Zeit ist nicht mehr bis zum Ende der Saison. Da sollte jetzt wieder vieles schnell funktionieren.

Über alle schwebt die Geschichte mit den ruhenden Bällen. Hinten ist die Eintracht inzwischen auffällig anfällig. „In der Hinrunde hatten wir die Probleme nicht, und auf einmal müssen wir jedes Wochenende über ein Standard-Gegentor reden“, rätselt Torwart Trapp.

Dazu kommt: die fast schon unglaubliche Harmlosigkeit bei eigenen Standards. Die Quote ist absurd schlecht und die mit Abstand mieseste der gesamten Liga. Nur vier Tore in 28 Partien fielen nach ruhenden Bällen, davon ein Strafstoß. Das ist lachhaft.

Und es ist auch ein Grund, weshalb die Eintracht zu viele Unentschieden und zu wenige Siege zu verbuchen hat. Denn enge Spiele gewinnt man auch mal durch ein Standardtor. Die Eintracht nicht. Das ist nicht nur ein Ärgernis, es kann auch ganze Saisonziele in Gefahr bringen.