„Diese Menschen sind verrückt“

Platzsturm, grenzenloser Jubel und riesige Trauer – Bildergalerie

14. Juni 2022, 22:32 Uhr

Die Fans des SV Eintracht Trier stürmten nach dem Regionalliga-Aufstieg gegen die Stuttgarter Kickers den Platz. Foto: Tobias Konrad

Grenzenloser Jubel auf der einen, riesengroße Trauer auf der anderen Seite. Das Aufstiegsrundenspiel zur Regionalliga Südwest zwischen Eintracht Trier und den Stuttgarter Kickers hatte alles, was das Herz begehrt – und mit Oberligafußball überhaupt nichts am Hut.

Eintracht Trier ist wieder viertklassig. Fünf Jahre nach dem Abstieg in die Oberliga hat der SVE durch ein 1:1 gegen die Stuttgarter Kickers den ersten Platz in der Dreier-Aufstiegsrunde vor den Kickers und Eintracht Stadtallendorf erreicht. Ausgerechnet Stuttgarter Kickers. Gegen den früheren Bundesligisten bestritt Trier vor fünf Jahren sein letztes Regionalliga-Spiel – der Kreis hat sich geschlossen. Der Jubel vor ausverkauftem Haus im Moselstadion – insgesamt 8300 Zuschauer sorgten für eine imposante Stimmung – war entsprechend riesengroß, Hunderte Eintracht-Fans stürmten vor Freude den Platz. Bilder, die man sonst nur in der Bundesliga sieht.

Stuttgarter Kickers damals wie heute: Für Eintracht Trier schließt sich bei Regionalliga-Rückkehr der Kreis

„Diese Menschen hier sind verrückt“, sagte Triers Trainer Josef Cinar nach Schlusspfiff, mit Tränen in den Augen. Direkt nach seinem ersten Satz verschwand er, weil er Frau und Kinder entdeckt hatte. Nach einigen Liebkosungen und Selfies mit vielen Fans konnte das Interview mit dem gebürtigen Bremer rund zehn Minuten später fortgesetzt werden. Die Worte waren nicht weniger emotional. „Ich bin so stolz. Auf die Mannschaft, auf die Fans. Der Support war überragend. Das war mindestens 3. Liga, wenn nicht sogar 2. Liga“, betonte Cinar und versprach: „Wir werden es richtig krachen lassen.“

Mit der Eintracht hat der Deutsch-Türke schon viel erlebt. Jahrelang spielte er im Verein aus der ältesten Stadt Deutschlands, erlebte Regionalliga-Zeiten hautnah mit, beispielsweise unter einem gewissen Mario Basler. Seit 1. Oktober 2018 trainiert der B-Lizenz-Inhaber die erste Mannschaft, doch die Rückkehr in die Viertklassigkeit sollte zunächst nicht gelingen. Bis heute, den 14. Juni 2022. Neben allen bekannten Feiersongs wie „We are the champions“ und „Oh wie ist das schön“ war Elton Johns „I‘m still standing“ vermutlich das bezeichnendste, um die Trierer Gefühlslage zu beschreiben. Nach vielen Tiefschlägen zeigte der Traditionsverein und ehemalige Zweitligist über die Jahre wahrlich die Nehmerqualitäten eines Stehaufmännchens.

Regionalliga-Aufstieg der Stuttgarter Kickers scheitert erneut am Torverhältnis

Genau wie die Stuttgarter Kickers – für die es aber kein Happy End gab. „Beide Vereine gehören nicht in die fünfte Liga“, stellte Cinar treffend fest. Dennoch geht der frühere Bundesligist nun schon in sein fünftes Oberligajahr in Folge. „Es ist enorm bitter. Wir haben nicht einmal verloren und sind wie schon in der Liga nur aufgrund des Torverhältnisses nicht aufgestiegen“, haderte Mijo Tunjic. Der langjährige „Blaue“ hatte im letzten Spiel vor seinem Wechsel zum Ligakonkurrenten 1. Göppinger FV tief in der Nachspielzeit getroffen. Das Tor war aber nicht genug, da Robin Garnier – ausgerechnet ein früherer Stuttgarter und gebürtiger Trierer – kurz zuvor das 1:0 erzielt hatte.

Was den Kickers zum Verhängnis wurde: die lange, zeitweise sogar doppelte Unterzahl. Erst Nico Blank (30.) und später Denis Zagaria (73.) flogen mit Gelb-Rot vom Platz. „Mit einem Mann weniger ist es schwer, mit zwei sogar brutal. In so einem Spiel sind viele Emotionen drin, dass man einen Ticken zu viel will, ist normal. Vielleicht kann ein Schiedsrichter mit etwas Fingerspitzengefühl bei Nicos Aktion keine Gelb-Rote geben. Denn der Schiri wusste nicht einmal, dass er schon verwarnt war“, sagte Tunjic.

Hessischer Drittliga-Referee Christian Ballweg bewertet die Schlüsselszenen richtig

Allerdings hatte Drittliga-Referee Christian Ballweg aus dem hessischen Alspach bei beiden Platzverweisen regeltechnisch absolut korrekt gehandelt. Für die Kickers letztlich ein schwacher Trost: „Ich bin mir sicher, dass wir im Duell elf gegen elf gewonnen hätten. Wir haben eigentlich alles richtig gemacht, aber es hat nicht gereicht. Aber so ist Fußball. Die Mannschaft wird davon gestärkt in die nächste Saison gehen“, unterstrich der scheidende Kapitän – wohlwissend, dass die enttäuschte Truppe von den 1000 Fans nach Schlusspfiff schon wieder aufgebaut wurde.

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